Der Grenzfluß zwischen Himmel und Hölle wird von Engeln gern zum Baden benutzt. Auch Jung-teufel kommen oft, um sich etwas abzukühlen. Eines Tages schwammen sie ans andere Ufer und stahlen die dort abgelegten Engelskleidchen. Der himmlische Kleiderwart St. Vestispex beschwerte sich beim Teufel und verlangte die Kleidchen zurück. Der verweigerte das mit der Begründung, sie würden für einen operativen Einsatz auf der Erde gebraucht. Das konnte der Himmelsvertreter natürlich nicht billigen und kündigte gerichtliche Schritte an. Der Teufel verwies zu Recht darauf, daß der Straf-senat des Jüngsten Gerichts erst am Jüngsten Tage zusammentrete. St. Vestispex drohte nun mit einer Herausgabeklage vor dem Zivilsenat. Das war bibelrechtlich zwar jederzeit möglich, er war aber noch nie angerufen worden, vgl. Goethe, Faust I, Prolog im Himmel:
„Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern
und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
so menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.“
Offensichtlich war der Teufel willens, diese lange Zeit der friedlichen Koexistenz von gut und böse zu beenden, und wies im Gefühl seiner Überlegenheit St. Vestispex spöttisch auf den Anwaltszwang beim Jüngsten Gericht hin, arg. § 78 ZPO: „Wenn schon bei deutschen Landgerichten jeder einen Rechts-anwalt braucht, dann erst recht beim Weltgericht.“ „Meinetwegen“, sagte St. Vestispex, „dann nehmen wir uns eben einen.“ „Da kannst du lange suchen“, antwortete triumphierend der Teufel, „die sind alle bei mir.“ „Hast du auch schon mal überlegt, warum?“ erwiderte St. Vestispex noch, aber „Das ist un-beachtlich“, widersprach der Teufel, „im Gesetz steht, sie sind unabhängige Organe der Rechtspflege.“ Dabei blieb es, und die Verfahrensvorschriften obsiegten wie immer gegen das Recht. Nicht nur der Himmel hofft, daß der Jüngste Tag des Rechts bald kommen werde:
„God made for a hopeful beginning,
but man spoilt his chances by sinning.
We trust that the story
will end to God’s glory,
but at present the other side’s winning.“
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